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Aktuelles | Interview | 26.09.2014

P. Leeb: Mit der Doppelmoral kann ich nicht leben

Ein Beispiel der Christlichkeit

Der charismatische und unbequeme Priester Hubert Leeb (Bild) nimmt endgültig Abschied von seiner Heimatstadt Grieskirchen und kehrt nach Aracaju im Nordosten Brasiliens zurück. Der Pater feierte heuer seinen 80. Geburtstag. Sich im Alter ins Klosterleben zurückzuziehen, wäre nicht nach dem Geschmack des Missionars gewesen. Er verlässt am 7. Oktober für immer seine Heimatstadt, um mit Geovana de Oliveira Lima seinen Lebensabend in Aracaju im Nordosten-Brasiliens zu verbringen.
In seinem Abschieds-Interview in unserem Partnermedium OÖN fordert er die Freistellung des Zölibats, eine Abkehr von der Doppelmoral und dringend notwendige Reformen der Kirche. Dieses Interview wollen wir auch hier veröffentlichen!
OÖN: Sie haben Ihre Beziehung zu der bereits verstorbenen Joana Batista Costa und Geovana de Oliveira, die Ihr Lebenswerk in Brasilien mit aufgebaut haben, nie verleugnet. Was waren die Konsequenzen des Ordens?
Pater Leeb: Es gab die Aufforderung, ich solle doch aus dem Orden austreten. Ich habe darauf gesagt: Nur wenn ihr mir beweisen könnt, dass meine Arbeit nicht im Geiste Jesus ist. Das konnten sie nicht. Sollte ich sie, wie andere Priester ihre Frauen, verstecken? Als ich zwei Jahre nach dem Beginn meiner Mission Joana, diese junge und schöne Indio-Frau, in den Regensburger Dom mitgenommen habe, kam laute Kritik. Dann habe ich gesagt: Liebe Leute, sie vertritt hier ihr Volk, ein Volk, das gedemütigt wurde, sie schenkt mir Geborgenheit, ich verstecke sie nicht. Ich musste dann zum Bischof. Aber mit der Doppelmoral kann und will ich nicht leben.
OÖN: Sie betonen, dass Sie ohne die Liebe und Unterstützung der beiden Frauen Ihre Mission nicht durchführen hätten können.
Pater Leeb: Die Liebe dieser Frauen hat meine Berufung nicht zerstört, ganz im Gegenteil. Sie hat mich gestärkt und gefestigt, ich habe eine andere Weite bekommen. Ich habe keine Sündenängste. Ich handle nach meinem Gewissen, wie mir das schon meine Mutter und ein Bischof geraten haben. Das Zölibat hat seinen Alleinanspruch verloren, die Kirche sollte das Zölibat den Priestern freistellen. Sie muss auch sehen, dass die Kirche ohne die Frauen keine Zukunft hat.
OÖN: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kirche?
Pater Leeb: Die Kirche hat an Glaubwürdigkeit verloren, die Leute aber nicht ihren Glauben. Die Kirche muss sich erneuern im Geiste Jesu und nicht in Dogmen verharren, die vielleicht vor 2000 Jahren noch ihre Gültigkeit hatten. Jesus ist gekommen, um zu retten und nicht um zu richten. Deshalb dürfen „geweihte Junggesellen“, die keine Lebenserfahrung haben und die Liebe nicht erlebt haben, auch nicht über Menschen wie Wiederverheiratete urteilen. Ich bin überzeugt, dass jede menschliche Liebe zu Gott führt.
OÖN: Wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung, Ihre Heimat für immer zu verlassen?
Pater Leeb: Ich liebe meine Heimatstadt, es fällt mir schwer. Ich möchte allen danken, die mich und meine Arbeit in Brasilien so tatkräftig unterstützt haben. Viele haben gesagt, bleib doch. Sollte ich ins Kloster zurückkehren, wo ich entfremdet bin? Wenn Gott die Liebe will, muss ich den anderen Weg gehen. Ich will nicht auf die Liebe von Geovana verzichten. Wir haben eine Wohnung in Aracaju. Dort haben wir die Fahne von Grieskirchen aufgehängt und viele Erinnerungen. Wir haben auch dort viele sehr gute Freunde.
OÖN: Welche Pläne haben Sie noch, wie geht es mit Ihrem Lebenswerk in Porto do Mato weiter, wo es zu einem Zerwürfnis mit dem konservativen Bischof kam?
Pater Leeb: Es gibt jetzt einen neuen Bischof, dem die Neubelebung des Zentrums ein Anliegen ist. Außerdem möchte ich noch ein Buch schreiben. Der Titel wird wahrscheinlich „Worüber ich nicht schweigen kann“ lauten.
OÖN: Haben Sie Angst vor dem Tod?
Pater Leeb: Nein, nicht vor dem Tod, aber davor, leiden zu müssen. Ich habe viele Menschen am Ende ihres Lebens leiden gesehen. Als junger Priester bin ich einmal zu einer sterbenskranken, krebskranken Frau gerufen worden. Statt dem Rosenkranz hielt sie Stricknadeln in ihren Händen. Es war kalt geworden, sie sorgte sich, dass die Kinder nichts Warmes zum Anziehen hätten. Die Socken waren ihr letztes Geschenk der Liebe. Liebe ist das wichtigste im Leben.
P. Hubert Leeb - persönlich
Hubert Leeb, Oblate des hl. Franz von Sales, gründete 1962 die Jugendorganisation „Kreis Junger Missionare“. 1976 begann seine Mission in Brasilien. Als ihn ein Bischof dort in eine Pfarrei stecken wollte, wo eine desolate Kirche zu sanieren war, lehnte er ab, denn er wollte den Menschen helfen.
In Rio lernte er bei einem Samba-Abend Joana Batista Costa kennen, die ihn auf die Armut der Menschen auf der ehemaligen Sklaveninsel „Porto do Mato“ aufmerksam machte. Er baute dort mit finanzieller Unterstützung aus Österreich und Deutschland ein Ausbildungszentrum mit Kindergarten, Schulen und Werkstätten, Krankenstation und Inselkirche auf.
Sein Lebenswerk hat er nach Zerwürfnissen mit dem dortigen konservativen Bischof 2009 verlassen. Der Lebensweg von Pater Hubert Leeb ist im Buch „Die Kraft des Glaubens“ nachgezeichnet. Telefon- und Faxbestellung unter Tel. 07248-68162.
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